Ein Beinahe-Ruhestand, Statffelübergabe und Erinnerungen, auch an Tiramisu

Seit 2008 gibt es die Palliativstation am Heidekreis-Klinikum. Rund 280 Patientinnen und Patienten aus dem Heidekreis, aus Celle, Nienburg und Verden/Aller werden hier jährlich auf der heute acht Betten führenden Palliativstation am Heidekreis-Klinikum in Walsrode behandelt. 

Dr. Roland Heitmann, einer der ersten Palliativmediziner in Deutschland, hat diese Station aufgebaut. „Ein Freund von mir erkrankte an einem Gehirntumor, es gab damals keine gute medizinische und pflegerische Betreuung – denn Palliativmedizin, also Medizin für schwerkranke, dem Tode geweihte Menschen gab es in Deutschland kaum,“ erinnert sich Dr. Roland Heitmann am Tag seiner offiziellen Verabschiedung und Danksagung an ihn als Ärztlichen Leiter der Palliativstation.

Seit 1990 – also knapp 34 Jahre – hatte Dr. Heitmann in der Inneren Medizin am HKK, damals noch dem Kreiskrankenhaus Walsrode, gearbeitet. Aus Würzburg kamen er und seine Frau, Dermatologin Dr. med. Sigrid Seibold-Heimann, in den Heidekreis, da sein ehemaliger Vorgesetzter, Dr. Wiese, in Walsrode Chefarzt der Inneren Medizin wurde. Dr. Heitmann erinnert sich: „Es war die Zeit, in der die sogenannten Fallpauschalen zur Finanzierung des Krankenhauswesens eingeführt wurden, sprich, es wurde ein gesundheitliches – aktuelles – Problem behandelt, der Patient wurde nicht mehr ganzheitlich betrachtet, sondern nur die Haupterkrankung konnte noch behandelt werden.“

Für einen Arzt, „mit Leidenschaft und Hingabe“ – so beschrieb Dr. med. Achim Rogge, Geschäftsführer des Heidekreis-Klinikums, in seiner Dankesrede Dr. Heitmann, ein nur schwer zu ertragender Zustand. Er war und ist bis heute ist überzeugt, „dass der Kranke, nicht die einzelne Erkrankung im Mittelpunkt aller ärztlichen und pflegerischen Bemühungen stehen sollte.“ Und so versammelte Dr. Heitmann in 2007 „eine Handvoll notorischer Überzeugungstäter wie mich“ und begann, eine Palliativstation aufzubauen.
„In 2008 konnte wir unsere Station mit fünf Betten eröffnen,“ erinnert er sich.

Sein „medizinisches Herz“, das immer auch für die Pneumologie und Kardiologie – er legte sozusagen den Grundstein für die heutige Fachabteilung Kardiologie am HKK – schlug, fand auf der Palliativstation ein „Zuhause“. Dr. Heitmann: „Am Anfang war die Palliativstation nicht gut beleumundet, niemand wollte auf die sogenannte Sterbe-Station: Die Menschen hatten Angst, hierher nur abgeschoben zu werden.“  Aber die Ängste zerschlugen sich schnell, denn Ärzteschaft und Pflegende bewiesen immer wieder – bis heute –  dass auf der Palliativstation alle Patientinnen und Patienten wahrhaftig betreut werden: „Wir halten gemeinsam mit ihnen die lebensgefährliche Lage aus, wir hoffen gemeinsam, wir trauern gemeinsam, wir lachen gemeinsam,“ erklärt Dr. Heitmann das Besondere dieser Station. Und ja, rund 60% der aufgenommenen Patientinnen und Patienten verstürben auf dieser besonderen Station. 

Es gab und gäbe Wochenenden, an dem die Hälfte der Patienten sterben, das sei für das gesamte Team immer schwer zu verkraften. Dr. Heitmann: „Aber das Team, das nicht nur aus Ärzten und Pflegenden, sondern auch Therapeuten und Seelsorge besteht, ist stabil. Wir sind eine Einheit – und wir bekommen professionelle Hilfe, zum Beispiel durch Supervisionen.“ Er selbst habe durch die Gespräche mit den Patienten immer wieder auf sein eigenes Leben geblickt: „Mir wurde immer wieder bewusst, wie wichtig es ist, dem Leben – an jedem einzelnen Tag – den Wert zu geben, den es hat.“

Das Leben und jeden einzelnen Menschen in den Mittelpunkt aller Bemühungen zu stellen – da sind sich alle, die Dank an Dr. Heitmann sagten – das sei seine Berufung gewesen. Und diese Lebensaufgabe habe für Dr. Roland Heitmann nicht an der Krankenhaustür aufgehört: Er war aktiv an der Entwicklung der ambulanteren Palliativversorgung durch sein Mitgestalten des Palliativnetzes Heidekreis beteiligt, hat von Anfang an den Bau des Hospizes unterstützt.

Dr. med. Sirus Adari (Vorsitzender des Onkologischen Arbeitskreises Walsrode e.V.), Dr. med. Albrecht Werner (ehemaliger Geschäftsführer des Palliativnetzes Heidekreis) und Dr. med. Claudia Hölzenbein (stell. Vorsitzende des Palliativ-Care Fördervereins e.V.) und auch Marleen Kohn, seit sieben Jahren pflegerische Leitung der Palliativstation, betonten in ihren Reden, dass Dr. Heitmann einen Meilenstein in der Versorgung schwerstkranker Menschen am Heidekreis-Klinikum, aber auch darüber hinaus, gesetzt habe. Marleen Kohn: „Unter Ihrer Leitung haben wir als Team auf Augenhöhe zusammengearbeitet.“ Jeder Einzelne im Team habe seine Stärken einbringen, sich weiterentwickeln können. „Dabei standen immer das Wohl und die gute Versorgung der Patienten und deren Angehörigen im Mittelpunkt.“
Die empathische, fröhliche Art und das Engagement von Dr. Heitmann habe die Atmosphäre auf der Station geprägt und das Leben vieler Patienten bereichert. Es habe aber nicht nur fachliches Wissen, sondern auch kleine Köstlichkeiten wie selbstgebackene Kekse gegeben.  Mit einem Lächeln und einem kleinen Schimmern in den Augen sagt Marleen Kohn: „Wenn Dr. Heitmann am frühen Morgen mit einer Schale in Richtung Stationsküche ging, konnten wir uns schon in der Mittagsübergabe auf ein leckeres Tiramisu freuen.“

Noch bis Ende dieses Jahres bleibt Dr. Heitmann der Palliativstation erhalten, dann wird er sich – zur Freude seiner Familie – ganz in den Ruhestand verabschieden. Schon jetzt aber legt er die Verantwortung in die Hände seines Nachfolgers, PD Dr. med. Arne Trummer. Dr. Heitmann: „Ich bin mir sicher, dass auch unter seiner Leitung weiterhin Mitgefühl, Respekt und Fürsorge im Mittelpunkt dieser Palliativstation stehen bleiben.“ Natürlich werde sich die Palliativstation auch weiter entwickeln – „das ist das Leben, das sind die Zeichen der Zeit. Bei Bezug des Neubaus des Heidekreis-Klinikums wird die Palliativstation insgesamt 11 Betten führen.“ Unter der neuen Leitung von PD Dr. Trummer wird die Palliativstation mit der Fachabteilung für Hämatologie und Onkologie zusammengeschlossen. Chefarzt PD Dr. Trummer ist bewusst, „wie groß die Schuhe und Schritte sind“, die Herr Dr. Heitmann hinterlasse – nicht nur in der stationären Versorgung von Schwerstkranken, sondern auch in der ambulanten Versorgung. Auch Dr. Trummer ist die gute Vernetzung – und damit die umfassend gute Versorgung der Patienten – sehr wichtig, er ist bereits aktiv im Vorstand des Onkologischen Arbeitskreises e.V. tätig.

Dr. Trummer: „So wie die Menschen dank Herrn Dr. Heitmann wissen, dass die Palliativstation umfassende medizinische und pflegerische Versorgung bietet, möchte ich mit dem gesamten Team auch immer wieder zeigen: Eine Palliativstation ist kein Ort der Hoffnungslosigkeit, sondern wir wollen die bemerkenswerten Innovationen in der Krebstherapie nutzen, um den Patienten individuell die bestmögliche Therapie anzubieten, immer mit dem Ziel vor Augen, Beschwerden zu lindern und eine gute Lebensqualität zu erreichen.“

 

Foto: Das gesamte Team der Palliativstation und Geschäftsführer Dr. med. Achim Rogge verabschiedeten Dr. med. Roland Heitmann, der den Staffelstab an PD Dr. med. Arne Trummer, Chefarzt der Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin übergab. Foto: Heidekreis-Klinikum/Nina Bernard

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