
„Sucht ist eine Krankheit – frühzeitige Hilfe ist entscheidend“
Der 26. Juni ist der internationale Tag gegen Drogenmissbrauch – eine gute und wichtige Gelegenheit, um das Bewusstsein für die Risiken von Sucht zu schärfen und Mut zur Hilfe zu machen. Allein in Deutschland sind schätzungsweise etwa 1,4 Millionen Menschen abhängig von illegalen Drogen wie Amphetaminen, Kokain oder Opioiden (BZgA – Daten und Fakten zur Suchtentwicklung“) Dazu kommen noch 1,6 Millionen Menschen allein mit Alkoholabhängigkeit. Stigmatisierung, aber auch gesellschaftliche Vorurteile erschweren jedoch oft den Zugang zu Hilfe und Behandlung.
Was passiert im Gehirn bei einer Sucht? Wie erkennt man die ersten Anzeichen? Und welche Wege gibt es aus der Abhängigkeit? Dr. med. Florian Gal, Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie gibt Antworten.
Was passiert im Gehirn bei einer Sucht?
Chefarzt Dr. med. Florian Gal:
„Sucht ist eine komplexe Erkrankung des Gehirns, bei der bestimmte neurobiologische Prozesse verändert werden. Substanzen wie Alkohol, Opioide oder Stimulanzien beeinflussen das Belohnungssystem im Gehirn, insbesondere den Neurotransmitter Dopamin. Diese Substanzen führen zu einer verstärkten Ausschüttung von Dopamin, was ein intensives Gefühl von Glück bzw. Zufriedenheit erzeugt. Das Gehirn gewöhnt sich an diese erhöhte Dopamin-Ausschüttung und verlangt nach wiederholtem Konsum, um dieses Gefühl zu reproduzieren – das sogenannte Craving.
Langfristiger Drogenkonsum kann jedoch die natürlichen Belohnungswege im Gehirn schädigen, was dazu führt, dass Betroffene immer mehr Substanz benötigen, um das gleiche Hochgefühl zu erleben. Es kommt auch zu Veränderungen in den Bereichen des Gehirns, die für Impulskontrolle und Entscheidungsfindung zuständig sind – was die Kontrolle über den eigenen Konsum erschwert.“
Wie erkennt man eine Suchterkrankung?
Dr. Gal:
„Es gibt verschiedene Anzeichen, die auf eine Suchterkrankung hindeuten können:
- Starkes Verlangen nach der Substanz („Craving“)
- Vermehrter Konsum trotz negativer Konsequenzen
- Kontrollverlust über den Konsum
- Entzugserscheinungen bei Nicht-Konsum
- Vernachlässigung sozialer Verpflichtungen oder Hobbys
- Verheimlichung des Konsums
Wichtig ist: Je früher eine Sucht oder Abhängigkeit erkannt wird, desto besser sind die Chancen auf erfolgreiche Behandlung. Deshalb sollten Angehörige und Freunde aufmerksam sein und bei Verdacht professionelle Hilfe suchen.“
Was können Angehörige tun?
Dr. Gal: „Angehörige spielen eine wichtige Rolle in der Unterstützung von Personen mit Suchterkrankungen. Wichtig ist es, offen und ohne Vorwürfe mit dem Betroffenen zu sprechen und ihn zu ermutigen, professionelle Hilfe anzunehmen. Es sollte vermieden werden, den Betroffenen zu beschämen oder zu isolieren; vielmehr braucht es Verständnis und Unterstützung.“
Brauchen auch Angehörige Hilfe? Wenn ja, wo können sie diese finden?
Dr. Gal: Ja, unbedingt! Unter einer Sucht leiden nicht nur die Betroffenen, sondern häufig auch die Angehörigen. Manchmal übernehmen sie über einen langen Zeitraum so viel Verantwortung, dass sie ihre Belastungsgrenze erreichen oder überschreiten.“
- Hilfe finden Angehörige u.a. bei den Suchtberatungsstellen des SpDi in Walsrode (AWO Trialog: 78732 – 52) oder Soltau (AWO Trialog: 05161. 78732 – 52).
- Außerdem gibt es eine bundesweite telefonische Beratung (Sucht & Drogen Hotline) unter 01806 313031. 20 Cent/Anruf.
- Auch Selbsthilfegruppen können oftmals für Angehörige sehr wertvoll sein (Infos: 05161. 989792).
Welche Behandlungsmöglichkeiten bieten Sie in Ihrer Klinik an?
Dr. Gal:
„Wir bieten eine stationäre Entgiftung von Alkohol, Cannabis und bestimmten Medikamenten (z.B. Benzodiazepinen) an. Die Aufnahme erfolgt i.d.R. nach Anmeldung über eine Vormerkliste unter 05161.602-1614. Im Idealfall erfolgt nach einer Entgiftung eine nahtlose Entwöhnungstherapie („Langzeittherapie“) in einer speziellen Einrichtung. Diese sollte am besten schon vor der Entgiftung im Krankenhaus über den Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) beantragt werden. Wir arbeiten sehr eng mit dem SpDi zusammen.
Ein wichtiger Bestandteil ist auch die Nachsorge, um Rückfälle zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Wichtige Ansprechpartner hierbei sind wiederum SpDi, Selbsthilfegruppen, Haus- und Fachärzte sowie unsere Psychiatrische Institutsambulanz (PIA).“
Gibt es Zahlen oder Fakten, die Hoffnung machen, dass drogenabhängige Menschen wieder gesund werden können?
Dr. Gal:
Die Erfolgschancen in der Suchtbehandlung sind sehr individuell. Einige Studien zeigen, dass bis zu 60 % der Menschen, die eine professionelle Suchtbehandlung absolvieren, langfristig abstinent bleiben oder ihre Konsummuster deutlich verbessern können. Obwohl Rückfälle bei Suchterkrankungen häufig sind, erhöhen moderne Therapien und Nachsorgeangebote die Chancen auf eine Abstinenz erheblich. Viele Betroffene berichten von einer verbesserten Lebensqualität nach erfolgreicher Behandlung – das zeigt: Obwohl Sucht eine chronische Erkrankung ist, ist sie behandelbar, und mit Unterstützung können viele Menschen wieder ein gutes Leben führen.“
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